WEGEFÜHRUNG
Ein Geflecht zahlreicher Trampelpfade, die den gemeinsamen Nenner vergangener, individueller, einander sich überlagernder Bewegungen durch unerschlossenes Terrain bezeugen, prägt derzeit das gesamte Areal. Zwei dieser Pfade, die in der Mitte des Pavillons zusammentreffen, zu einem Weg vereinigt zwischen zwei Bäumen hindurchführen und sich dahinter wieder verzweigen, werden im Sinne eines Zitats zum Bestandteil des Denkortes. Wie aufgebrochene Eisschollen ragen die dunklen, grob geschnittenen Granitscheiben aus der Erde und verweigern sich einem Betretenwerden. Eine gangbare Alternative hierzu bilden befestigte Wege, die in gewissem Abstand am Pavillon vorbeiführen. Bänke laden zur Beobachtung des Pavillons aus der Distanz ein. Der von einer gepflegten Rasenfläche umgebene Liebespavillon gleicht einer Insel zu der kein vorgegebener Weg führt. Jede Annäherung an den Pavillon ist eine bewusste Entscheidung und erfordert das Verlassen vorgegebener, befestigter Wege in eigener Verantwortung.
GLASSTELEN
In Straßennähe befinden sich zwei dreieckige Glasstelen mit eingraviertem Text. STELE 1 informiert über die unterschiedlichen Textfassungen des §175 von seiner Einführung bis zu seiner Abschaffung. Die Modifikationen des Paragraphen bezeugen, dass Gesetze nichts Festgefügtes, von außen Gegebenes, sondern temporäre Übereinkünfte sind, die den gemeinsamen gesellschaftlichen Nenner und die jeweilige Zeit widerspiegeln. In diesem Sinne trägt jeder Einzelne für deren Gestaltung Mitverantwortung. STELE 2 enthält den Entwurf für die Neuformulierung des derzeit geltenden Grundgesetzes. Dieser sieht die Einführung des Artikel ZERO [Einzig- und Verschiedenartigkeit, Anderssein] und darauf basierend notwendige Veränderungen der nachfolgenden Artikel vor. Beispielhaft gezeigt werden Auswirkungen auf Artikel 1-3, welche u.a. die Abschaffung des Gleichheitsparagraphen fordern. Auch die Menschenwürde ist zumindest de facto antastbar, wie wir täglich erleben müssen und ist gerade aus diesem Grund zu schützen. Der Gesetzentwurf weiß um die Gratwanderung zwischen Konkretem und Abstraktem, zwischen Interessen Einzelner und der Gemeinschaft als Ganzes. Dennoch sieht er die Notwendigkeit eines angemessenen Zweifels, einer kontinuierlichen Infragestellung und der damit verbundenen Schärfung eines Problembewusstseins. Nach einer Phase öffentlicher Diskussionen soll er als Antrag auf Änderung des Grundgesetzes eingereicht werden. Beabsichtigt ist ein Diskussionsprozess, der sich losgelöst vom Denkort, einmal angestoßen, unabhängig von Ländergrenzen selbständig weiter entfalten kann. CUI_BONO? - ANSICHTSSACHE oder eine Frage, deren Beantwortung jedem selbst überlassen ist?
CUI_BONO? soll zum Ort der Reflektion werden, der zum Verweilen einlädt, zum Nachdenken inspiriert und der sich eindeutigen ideologischen Botschaften verweigert. Mit der Strategie, das Schöne zu zeigen und das Bedürfnis zu erwecken, Kostbares zu beschützen anstatt es zu zerstören ist der Wunsch verbunden, jedes einzelne Individuum in seiner Einzigartigkeit und seinem Anderssein respektieren und achten zu lernen, dessen Verletzlichkeit, Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit vor Augen zu führen, es in seiner Schönheit zu bewahren und zu beschützen. CUI_BONO? lässt sich aus angemessener Distanz betrachten oder in unmittelbarer Auseinandersetzung erfahren. Die Dramaturgie ergibt sich aus dem individuellen Zugang. Peripathetische Wahrnehmung bedeutet das kontinuierliche Relativieren von Standpunkten und den damit verbundenen veränderten Blickwinkeln, Haltungen und Einstellungen. Denken lässt sich nicht erzwingen, sondern es erfolgt und breitet sich aus, wenn es genügend Raum hat und man es lässt. CUI_BONO? ist ein Denkort, der ein assoziatives Gedankenfeld aufspannt, innerhalb dessen die eigene Positionierung nicht nur möglich sondern auch erwünscht ist. Dies bedeutet auch die Übernahme von Verantwortung, die jeder Einzelne für sich und andere zu übernehmen hat. CUI_BONO?
Wer im Glashaus sitzt ...
Optional: korrespondierende interaktive WEBSITE
Optional wird CUI_BONO? von einer interaktiven Website begleitet, die eine Schnittstelle zwischen Gedenkort und Internet herstellt und den Diskussionsprozess auch jenseits der physische Präsenz befördert. Die Informationen über die im Pavillon ausgewählten Farben werden an die Website überrmittelt, wobei jede Farbwahl vor Ort auf der Website ein Referenzobjekt in Form eines gleichfarbigen winzigen Dreiecks generiert. Die so erzeugten Dreiecke bilden einen immer weiter anwachsenden virtuellen „Teppich“ aus Dreiecken, welcher auf das Geschehen vor Ort referenziert. Auf diese Weise hinterlässt ein physisch-virtuelle Feedbacksystem Spuren ...